1. Kammerkonzert 2025/26
Geister und Schatten
GEISTER UND SCHATTEN
Ludwig van Beethoven Klaviertrio D-Dur, op. 70, 1 „Geistertrio“
Dimitri Schostakowitsch Klaviertrio e-Moll, op. 67
Zur gleichen Zeit wie seine 5. Sinfonie und die 6. Sinfonie „Pastorale“ entstanden, gehört das 1809 veröffentlichte Klaviertrio D-Dur, op. 70, 1 zu den bekanntesten der zwölf Werken Ludwig van Beethovens, die dieser für Violine, Violoncello und Klavier geschrieben hat. Ursprünglich wollte der Komponist dieses Werk der Gräfin Marie Erdödy. Glaubt man seine eigenen Äußerungen, so fand die Gräfin kaum Ruhe, da ihre drei Kinder sie auf Trapp hielten. Einzige Entspannung brachte ihr die Musik. Kurz nach der Veröffentlichung des Klaviertrios, das den Beinamen „Geistertrio“ erhielt, zerstritten sich Beethoven und die Gräfin allerdings, so dass sich der Komponist entschied, dieses dem Erzherzog Rudolph zu widmen.
Seinen Namen verdankt das Trio vor allem dem populären Mittelsatz. So bemerkte etwa Beethovens Schüler Carl Czerny: “Der Charakter dieses, sehr langsam vorzutragenden Largo ist geisterhaft schauerlich, gleich einer Erscheinung aus der Unterwelt. Nicht unpassend könnte man sich dabei die erste Erscheinung des Geists im Hamlet denken.” Das Hauptthema dieses Satzes wirkt wie eine melancholische Melodie, die den Charakter des gesamten Satzes bestimmt. Die unruhige Begleitung dieses kantablen Themas im Klavier sorgt dafür, dass laut Meinung des Dichters E. T. A. Hoffmann ein geisterhafter, flüchtiger Klang entsteht, der erst durch das vitale Finale des Trios verdrängt werden kann.
Schatten überspannen auch das zweite Werk des 1. Kammerkonzerts des Mittelsächsischen Philharmonie: Dimitri Schostakowitschs 2. Klaviertrio e-Moll, op. 67. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs hatte der Komponist viele Freunde verloren. So starb im Februar 1944 auch der Musikkritiker Iwan Sollertinski, dem sich der Komponist besonders verbunden fühlte. Seiner Trauer über diesen Verlust verlieh er in seinem 2. Klaviertrio Ausdruck, das er Sollertinski widmete. Nach dem überraschenden Tode des Freundes und Förderers im Alter von nur 41 Jahren schrieb Schostakowitsch: “Wir werden ihn nie wiedersehen. Es fehlen die Worte, um den großen Schmerz auszudrücken, der mein ganzes Wesen quält.” Dieser Schmerz über den Verlust des Freundes schlägt sich vor allem im 1. und im 3. Satz des Klaviertrios nieder, die beide mit dem zweiten Satz in einem scharfen Kontrast stehen. Das Werk beginnt mit einem Trauermarschthema, welches das Cello solistisch einführt. Das Thema wird anschließend von der Geige und dem Klavier aufgegriffen. Nach dieser langsamen Einleitung folgt ein Moderato, in dem das melodisch erweiterte Thema der Einleitung zum Hauptmotiv wird, dem zwei bewusst banale Themen rivalisierend gegenüberstehen. Der zweite Satz hat den Charakter eines ironischen Tanzes, der an die Scherzi der Sinfonien Gustav Mahlers anknüpft, für dessen Werk sich Sollertinski besonders eingesetzt hat. Der abschließende dritte Satz ist eine ergreifende Passacaglia über ein Thema aus acht Akkorden, das vom Klavier eingeführt wird. Schostakowitsch steigert diesen Satz zu einem schattenhaften Totentanz, bevor das Finale leise mit einer Kombination aus Totentanzmotiv und den Akkorden des Passacaglia-Beginns verklingt. Auf diese Weise gelingt dem Komponisten ein hochemotionales Werk, das den Zuhörenden zu berühren vermag.